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SchUM-Städte

Privileg Erzbischof Gerhards II. vom 18. Juni 1295 für die Mainzer jüdische Gemeinde[Bild: Stadtarchiv Mainz]

Seit dem hohen Mittelalter sind die drei jüdischen Gemeinden am Mittelrhein, Speyer, Worms und Mainz, unter dem Akronym ‚SchUM‘ (Schpira – Warmaisa – Magenza) als untereinander eng verbundene Gemeinden weit über die Region hinaus bekannt. Für die Entfaltung jüdischen Lebens in Aschkenas (also im Wesentlichen dem mitteleuropäischen Judentum) erlangten diese drei Gemeinden eine herausragende Bedeutung.
In den drei Städten blieben bis heute einzigartige Zeugnisse des jüdischen Lebens und Glaubens erhalten – in der jüdischen Welt sind die Gemeinden und ihre kulturellen wie baulichen Zeugen bekannt und nach wie vor präsent, ihre Bedeutung für das Judentum ist weithin bekannt.
Neben den Friedhöfen in Mainz (Denkmalfriedhof, Steine ab 1049) und Worms (Heiliger Sand, genutzt von 1076/77 bis in das 20. Jahrhundert) sind es die hochmittelalterlichen Synagogen (1034 Worms) und Ritualbäder (Mikwen) in Speyer (um 1120) und Worms, die bis heute Zeugnis von der Blütezeit der jüdischen Gemeinden in den Bischofsstädten ablegen. Jüdische Museen in Worms (seit 1982) und Speyer (seit 2010) vermitteln zudem Aspekte dieser reichen Wirksamkeit an authentischer Stelle.
Die Gemeinden waren wirtschaftlich (Handel und Kommunikation), personell-verwandtschaftlich und vor allem geistig (Talmudgelehrsamkeit) untereinander verbunden und überaus einflussreich. Von hier aus wurden (in engem, von Pogromen und Phasen enger und guter Nachbarschaft gleichermaßen geprägtem Zusammenleben mit der christlichen Mehrheitsgesellschaft) neue architektonische Formen für Synagogen und andere Gemeindebauten entwickelt, autonome Gemeindestrukturen entfaltet sowie wichtige gelehrte Anstöße für religiöse, literarische und liturgische Ausdrucksformen jüdischer Identität in der Diaspora entwickelt, die bis heute nachwirken.
Vor allem durch die bis in das 20. Jahrhundert kontinuierliche Gemeindegeschichte in Worms (die Gemeinden in Mainz und Speyer wurden im Laufe des 15. Jahrhunderts aus den Städten vertrieben) haben sich Überlieferungen, Bauten (vormaliges Judenviertel) und Dokumente bewahren können, die den Einfluss und das Ansehen der Gemeinden wie auch ihre Bemühungen um eine stete Verlebendigung jüdischer Identität in einer christlichen Umwelt trotz des tiefen Einschnitts durch den NS-Völkermord bis heue eindrucksvoll belegen.
Durch den Zusammenschluss der drei schon im 11. Jahrhundert blühenden Gemeinden (schon vor 1000 Mainz, vor 1034 Worms, 1084 Ansiedlung von Juden durch Bischof Rüdiger in Speyer) und die Erarbeitung von autoritativ wirkenden, im 13. Jahrhundert kodifizierten Rechtssatzungen wurden die in SchUM entwickelten Vorbilder für das Zusammenleben in den Gemeinden sowie die Lösung rechtlicher und Alltagsfragen der Minderheit weit über die Region am Rhein hinaus vorbildlich. Zu dieser auch auf christlicher Seite wahrgenommenen religiös-kulturellen Führungsrolle trugen hervorragende Gelehrte und damit rechtlich-religiöse Autoritäten in den Gemeinden maßgeblich bei. Bis heute kommen Besucher aus der jüdischen Welt in diese Städte auf der Suche nach jüdischen Traditionen, Zeugnissen und dem Wirken namhafter Persönlichkeiten.
Das Land Rheinland-Pfalz verfolgt die Aufnahme der SchUM-Städte in die Welterbeliste der UNESCO: Die Antragserstellung hierfür erarbeitete die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz in enger Abstimmung mit den drei Städten, den entsprechenden jüdischen Gemeinden und mithilfe von Fachwissenschaftlern.
Folgende Institutionen präsentieren das Thema auf dem Historikertag:

0.1.Stadtarchiv Mainz

[Bild: Stadt Mainz]

Die Bestände umfassen 8.000 bis ins 12. Jh. zurückreichende Urkunden, 8,5 Kilometer Akten, 20.000 Karten und Pläne, 150.000 Fotos und 18.000 Münzen und Medaillen. Über eine Datenbank im Internet sind große Teile der Aktenbestände bis 1945 recherchierbar. Außerdem ist dank der DFG-Projekte „Retrokonversion archivischer Findmittel“ und „Virtuelles deutsches Urkundennetzwerk“ seit 2012 auch der online-Zugriff auf die Urkundenregesten sowie auf Digitalisate der ältesten Urkundenausfertigungen bis 1371 möglich.
Projekte:
- Mainzer Regesten zur Geschichte der Stadt (im Anschluss an das bis 1200 reichende „Mainzer Urkundenbuch“): Das von L. Falck bearbeitete Grundlagenwerk trägt die zerstreuten Quellen zur mittelalterlichen Geschichte von Mainz zusammen. Bd. 1 (1200-1250) bereits erschienen, Bd. 2 (1251-1260) voraussichtlich 2013.
- Fortführung des digitalen Häuserbuchs der Stadt Mainz: Das seit 2003 im Netz benutzbare, GIS-basierte digitale Häuserbuch von Mainz um 1450 wird für das 17. Jahrhundert erweitert. Die neue Version wird erstmals auf dem Historikertag vorgestellt.
- Erschließung von 34 Videointerviews mit Mainzer Holocaust-Überlebenden: Die 2010 vom Visual History Archive der Shoah Foundation erworbenen Videos werden redaktionell bearbeitet, um neue Möglichkeiten des Erinnerns an den Holocaust zu eröffnen.
- Mitarbeit in der Projektgruppe zur Vorbereitung des Weltkulturerbeantrages „SchUM-Städte“

0.2.Stadtarchiv Speyer

[Bild: Stadt Speyer]

Das Stadtarchiv Speyer (seit Mai 2012: Abteilung Kulturelles Erbe: Stadtarchiv, Museen, Gedenkstätten) ist das älteste kommunale Archiv der Pfalz. Bereits im späten Mittelalter wurde festgelegt, dass die städtischen Urkunden in Laden verwahrt werden sollten; 1454 sollten die Archivalien der Reichsstadt „mit gewelbe“ versehen werden; für besonders wertvolle Privilegien, also zum Beispiel die Urkunden der Kaiser und Könige, war eine rote Lade vorgesehen. Seit 1892 wurde das Stadtarchiv von Archivaren des bayerischen Staatsarchivs (heute: Landesarchiv Speyer) im Nebenamt mitbetreut, zuletzt von Anton Doll (1949-1963). Im März 1995 erfolgte der Umzug des Stadtarchivs in das ehemalige Gebäude der Pfälzischen Landesbibliothek, Johannesstraße 22a.
Die umfangreiche reichsstädtische Überlieferung hatte in den letzten Jahrhunderten nur wenige Verluste zu beklagen. Dort finden sich auch zahlreiche Quellen zur Geschichte der Speyerer jüdischen Gemeinde. Das Archiv sieht es als seine Aufgabe an, diese Dokumente in vielfältiger Weise in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen.
Weitere Informationen: http://www.speyer.de/de/bildung/bibliotheken/stadtarchiv

0.3.Stadtarchiv Worms

Das Stadtarchiv Worms – seit 1982 gemeinsam mit dem Jüdischen Museum und der Denkmalpflege im ‚Raschi-Haus' im vormaligen Judenviertel beheimatet - spiegelt das Auf und Ab der Geschichte der Bischofs- und Reichsstadt seit dem Hochmittelalter wieder. Mit der Urkunde König Heinrichs IV. von 1074 beginnt eine trotz aller Kriege und Zerstörungen immer noch reiche Überlieferung – heute sind es etwa 3500 laufende Meter Unterlagen. Besonders wertvoll ist dabei u.a. die Fotoabteilung mit mehr als 300.000 Negativen (erwachsen auf der Basis umfangreicher Fotografennachlässe), eine Urkundenserie und mehr als 2000 Aktenbände der Zeit bis zum Ende des Alten Reiches 1798, als Besonderheit die Überlieferung von 14 Ortsgemeinden des rheinhessischen Umlandes sowie die der 13 eingemeindeten Vororte, städtische Aktenserien v.a. seit dem 18. Jahrhundert, umfangreiche Nachlässe und Sammlungsbestände zur wirtschaftlichen und kommunalen Neuentfaltung seit dem 19. Jahrhundert, Zeitungen, audiovisuelle Quellen, Karten, Plakate und reiche Aktenbestände, Judaica, wirtschaftsgeschichtliche und Vereinsunterlagen und ein Adelsarchiv (Herrnsheimer Dalberg-Archiv) mit Schwerpunkt 18./frühes 19. Jahrhundert. Den Familienforschern stehen neben den Zivilstandsregistern (seit 1798) und Kirchenbüchern umfangreiche Namensregister zur Verfügung. Im Jahre 2005 hat das Archiv die neue ‚Geschichte der Stadt Worms' als umfassende neue Stadtgeschichte herausgegeben.
Das Stadtarchiv hat in den vergangenen Jahren durch Neuerwerbung von Archivunterlagen die thematische Vielfalt und Qualität seiner Bestände stetig gesteigert und dabei intensive Erschließungsarbeiten geleistet. Auch mit Hilfe des Retrokonversionsprogramms der DFG konnten nahezu alle analogen Findmittel onlinefähig gemacht werden, zur Zeit sind ca. 80.000 Datensätze im Netz recherchierbar (www.stadtarchiv-worms.de).
Das Archiv wirkt u.a. mit in der Arbeitsgemeinschaft der Archive in der Region Rhein-Neckar und ist beteiligt an dem Projekt ‚Virtuelles deutsches Urkundennetzwerk', in dessen Rahmen 2011 der komplette Urkundenbestand vor 1600 digitalisiert wurde – die Onlinestellung befindet sich in Vorbereitung.
Ein besonderes Vorhaben ist die laufende Digitalisierung der älteren Fotobestände und die Sicherung (Verfilmung, Digitalisierung) und öffentliche Nutzbarmachung der älteren Zeitungsbestände, meist (Unikate).
Das Stadtarchiv ist durch Publikationen, die jährliche Herausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift ‚Der Wormsgau' (zusammen mit dem Altertumsverein Worms), durch weitere Veranstaltungen (Ausstellungen, Vorträge) und historische Bildungsarbeit stetig um eine gute Öffentlichkeitsarbeit bemüht.

 
Hinweis: Diese Webseite wird vom IGL auch Jahre nach Abschluss des Projekts weiterhin zur Verfügung gestellt. Die unten angezeigten Inhalte sind aber veraltet und spiegeln möglicherweise nicht den aktuellen Forschungsstand wider. (Klicken Sie auf diese Meldung, um sie auszublenden.)